Info, Anime Film Musik Diverses, Archiv Links

Nobuhiro Yamashita und das Leben auf dem Land

Japanische Doramas sind das pure Gegenteil von Subtilität: Die Schauspieler spielen übertrieben, die Charaktere sind überzeichnet und folgen typischen Mustern, die Geschichten sind einfach gestrickt, kauen die immer gleichen Wertvorstellungen durch und sind einfach zu durchschauen. Doramas sind anspruchslose Abendunterhaltung, die auch mit halber Aufmerksamkeit verfolgt werden können.

Die Filme von Nobuhiro Yamashita funktionieren dabei ganz anders. Er besitzt ein grosses Talent, die Charaktere und die Geschichte für sich reden zu lassen. Der Zuschauer wird dabei nicht als kleinster gemeinsamer Nenner verstanden, dem die Handlung ABSOLUT KLAR aufgetischt werden muss, sondern als aktiver Teilnehmer am Film, der genug aufmerksam ist, um auch subtile Gesten zu erkennen und zu deuten. Yamashita’s Filme erzählen subtil und so gekonnt wie raffiniert. Es ist eine Freude, den Tanz der Handlung und der Charaktere zu beobachten und zu sehen, wie mit feinen Gesten ein Bild konstruiert wird, dass oft nur schlecht in Worte gefasst werden könnte aber dabei viele überraschend scharfe Details zeichnet.

· · ·


Bekannt wurde Yamashita durch seinen Film Linda, Linda, Linda (2005), der drei Schülerinnen porträtiert, die kurzfristig mit einer koreanischen Austauschschülerin einige Songs für ihr Schulfestival einstudieren müssen. Der Film wurde prominent in The Melancholy of Haruhi Suzumiya zitiert und dürfte auch K-On! massgeblich beeinflusst haben.

Hier geht es aber nicht um Linda, Linda, Linda, sondern um die zwei darauf folgenden Filme, die Yamashita seither gedreht hat. Während beide Filme vom Leben auf dem Land erzählen, könnten sie unterschiedlicher kaum nicht sein: Währen Matsugane Potshot Affair das Landleben als korrupt und unfähig schildert, ist A Gentle Breeze in the Village eine Lobeshymne auf das Bescheidenheit des selben.


Nein, die Leiche ist noch nicht tot.

Matsugane Potshot Affair (2006) ist eine Geschichte des Landlebens voller unfähiger Landbewohner, die sich ungeschickt durchs Leben schlagen und dabei möglichst versuchen, allen Problemen aus dem Weg zu gehen. So wird eine angefahrene Frau verfrüht als tot befunden, ein Gangsterpärchen muss einsehen, dass geklautes Gold nicht einfach auf eine Bank gebracht werden kann, ein geistig behindertes Mädchen wird von ihrer Mutter prostituiert und als sie schwanger wird, könnte das halbe Dorf der Vater des Kindes sein.

Nach dem sehr friedliebenden Film Linda, Linda, Linda, zieht hier Yamashita alle Register des schwarzen Humors und lässt die Bewohner blind und ungeschickt von einem Fettnapf in den nächsten treten. Alles wird tendenziell nur immer schlimmer und alle geben sie die grösste Mühe, sich nur nicht mit den drängenden Problemen befassen zu müssen.


Imaginäre Ratten im Dach?

Der trockene und böse Humor wird dabei wunderbar von Yamashita’s Erzählstil unterstützt, der wiederum nicht auf den gängigen Slapstick vieler japanischen Komödien zurückgreift, sondern die Bewohner vielmehr als glaubhafte Menschen zeigt. Man kann sich mit dem ungeschickten Verhalten der Leute identifizieren, und das macht den trockenen Humor umso bissiger und unterhaltsamer. Die Figuren sind nicht einfach nur Lachnummern, sondern haben alle auch eine überraschende gute Seite, die manchmal unter ihrer dicken Schicht Unfähigkeit hervorschimmert.


Idyllisches Landleben…

A Gentle Breeze in the Village is Yamashita’s letzter Film von 2007 und erzählt das Leben in einer kleinen Schule irgendwo im ländlichen Japan. Diese hat gerade mal eine handvoll Schüler, weshalb der Unterricht über mehrere Jahrgänge in einer einzigen Klasse gegeben wird und die Schüler sich mehr als Familie anstatt als Schulklasse fühlen. Das ruhige Leben wird etwas aufgewirbelt, als eine ausgerissene Tochter mit ihrem Sohn in das Dorf zurück kehrt, nachdem sie ihr Mann in Tokio sitzen gelassen hat.

Als möchte Yamashita die Landleute nach Matsugane Potshot Affair wieder rehabilitieren, geht es in A Gentle Breeze in the Village um die Langsamkeit, Bescheidenheit und Familiarität des Lebens auf dem Land. Der Film ist ruhig erzählt und zeigt viele kleine Alltäglichkeiten, welche das Landleben umreissen. Durch die Mutter und ihr Sohn, die von Tokio zurückkehren und etwas Modernität aufs Land mitbringen, sowie einem kleinen Klassenausflug nach Tokio wird dazu der Kontrast zwischen Stadt und Land thematisiert.


Hühnerstall ausmisten gehört zum Lehrplan.

Auch in diesem Film spielen feine Kontraste eine wichtige Rolle. Das Landleben wird nicht blauäugig als Paradies geschildert, sondern mehr als einfacheres aber nicht unbedingt besseres Leben als in der Stadt. Während die guten Seiten im Fokus des Filmes liegen, schweben die Abgründe immer gerade ausserhalb des Sichtfeldes. So wird zum Beispiel eine Affäre des Vaters der Protagonistin angedeutet und die Unsicherheit der Schülerin gezeigt, die sich zum ersten Mal bewusst wird, dass ihre Eltern nicht ein perfekt harmonisches Paar sein könnten. Das ganze wird dabei aber nicht lange ausgebreitet, sondern vielmehr in wenigen Einstellungen umrissen, bevor es im trägen Alltagstrott wieder untergeht.

Gerade im Vergleich dieser zwei Filme so unterschiedlicher Genres, sticht Yamashita’s Stil ins Auge und zeigt, wie perfekt er Subtilität beherrscht. Ich kann die drei hier erwähnten Filme allen wärmstens empfehlen, die gerne clever erzählte und subtile Filme sehen!

von Adrian am 17.08.2009 in Film, Japan
· · ·

Ein Kommentar

Yuki

Goil! Alle Drei sind interessant. Ist notiert und wird hoffentlich bald besorgt, sowie geguckt!

· · ·

Kommentieren