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Denno Coil : Erster Eindruck

Was eine sehr gute von einer durchschnittlichen Anime-Episode unterscheidet, geht in Zeiten des Mangels an qualitativ hochstehenden Serien schnell in Vergessenheit. Die letzten Monate waren für mich eher eine Durststrecke, auf der Qualitätsware mangelhaft war. Doch dann kam Mitsuo Itos «Denno Coil» und man wird mit Nachdruck wieder daran erinnert, was einem die Monate immer gefehlt hat.


Ein nahe Zukunft. Der Cyberspace ist in der realen Welt angekommen. Mit der Hilfe von Computerbrillen wird die virtuelle auf die reale Welt gelegt. Bildschirme und Informationen erscheinen im Raum und virtuelle Haustiere begleiten die Menschen. Yuko Amasawa, kurz Yasako, zieht mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Kyoko nach Daikoku City. Noch gar nicht richtig angekommen, wird Yasako in merkwürdige virtuelle Geschehnisse verwickelt und von ihrer quirligen Grossmutter (die beste «Hackerin» der Stadt) dazu gebracht, ihrer Cyberspace-Detektei beizutreten.


Yasako am Telefonieren, Coil Detektei Visitenkarte, Daikoku City und ein «Illegal».

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In Daikoku ist die virtuelle Welt anders und brüchiger beschaffen als im Rest des Landes. Mit der Hilfe von Meta-Bugs produziert Yasakos Grossmutter Meta-Tags, mit denen sich auf halb-legalem Weg die Cyberwelt beeinflussen lässt. Einzigartig für Daikoku sind auch Sattchi und seine Kuu-chans – Virenjänger und Bekämpfer jeglicher Irregularitäten in der Cyberwelt. Dabei machen sie keinen Unterschied ob gut oder böse – legal oder weniger legal. Alles was sich bei einer Irregularität befindet wird angegriffen und falls ein Mensch getroffen wird, zerfällt seine Brille in tausend Teile. Aus diesem Grund müssen die Kinder der Detektei von Sattchi auf der Hut sein und immer wieder von ihm flüchten.

Yasakos virtueller Hund Densuke wird kurz nach ihrer Ankunft in Daikoku in die rätselhaften Ereignisse verwickelt. Zuerst wird er von einer ganz neuen Art Virus infiziert und darauf noch von kleinen flauschigen Wesen entführt. Yasako versucht Densuke zu helfen und erfährt gleichzeitig immer mehr über die Merkwürdigkeiten von Daikoku City.


Ein Kuu-chan am flicken, Sattchi kommt aus der Wand, Kyoko quält Densuke und virtuelle Katzen.

Der Regisseur und Autor von Denno Coil, Mitsuo Iso, ist hauptsächlich als Animator bekannt geworden. Bekannte Szenen von ihm sind zum Beispiel Asuka’s Kampf in «End of Evangelion» und die erste Hälfte des Panzer-Kampfes in «Ghost in the Shell». Mit der RahXephon Episode «The Children’s Night» hat Iso dann neben einem grossteil der Animation auch zum ersten Mal eine Episode geschrieben und Regie geführt.

Das Konzept für Denno Coil hat er schon seit mehreren Jahren mit sich herum getragen, bis er bei NHK einen Produzenten begeistern konnte. Dieser hat ihm dann gleich einen Sendeplatz in der Primetime verschafft (Samstags um 18 Uhr auf NHK Educational, der in ganz Japan empfangen wird).

Es kommt praktisch nie vor, dass ich Anime kurz hintereinander zweimal schaue. Bei guten Serien warte ich dann meist lieber auf die DVDs, um wieder frisch die Serie geniessen zu können. Die ersten beiden Episoden von Denno Coil habe ich aber gleich zweimal geguckt und könnte sie jetzt nach der dritten Episode gleich ein weiteres Mal schauen. Denno Coil präsentiert eine so interessante Welt und ist in jeglicher Hinsicht erstklassig produziert, dass die Episoden auch nach zweimaligem Ansehen absolut nicht langweilig werden.


Die Welt mit Brille sowie ohne und eine komische Cybersubstanz ohne Hilfe-Datei.

Die Welt, die uns Iso in Denno Coil präsentiert, ist einfach nur grossartig. Der Anime führt mit viel Feingefühl in die Welt ein, ohne gleich den Zuschauer mit zu vielen Informationen vollzutexten oder krampfhaft aus allem ein Geheimnis zu machen. Viele Details müssen dann auch nicht erklärt oder ausgeführt werden. Iso begnügt sich damit, sie visuell gekonnt in Szene zu setzen und sie für sich selber sprechen zu lassen. Die Welt ist auch umfangreich und überdacht ausgearbeitet, so dass sie eine ganz eigene Authentizität ausstrahlt.Angeblich hat Iso auch für die humoristische Auflockerung der Serie dabei verzichtet, alle Details seiner Welt in den Anime einzubauen. Das macht die Serie nur umso lebendiger.

Auch beim Lachen kommt man bei Denno Coil nicht zu kurz. Viele quirlige Charaktere, schräge Cyber-Kreaturen und einen feinen Humor lockern die Handlung ständig wieder auf. Da ist Yasakos kleine Schwester, die allem und jedem Unchi (Kacke) nachruft und ganz allgemein verrückte aber auch kindliche Sachen anstellt, die Mojos, kleine flauschige aber wenig gesellige Dinger, oder Oyaji, der schräge aber freundliche Cyber-Diener.


Zweimal Oyaji – höflich.

Bei den Charakteren misst man nicht die gängigen Stereotypen. Yasakos kleine Schwester ist zwar der Typ der überdrehten kleinen Schwester aber der Anime schildert sie auf eine sehr kindliche Art und macht den Charakter damit glaubhafter und interessant. Auch die anderen Charaktere sind gut ausgearbeitet und tragen zur Story der Serie bei.

Ito kommt ursprünglich von der Animation und auch Denno Coil kann aus dieser Sicht einiges bieten. Ito hat sich schon seit einigen Jahren auf Computereffekte spezialisiert und ist bei den CGIs der Serie aktiv dabei. Die Effekte gefallen mir sehr gut und fügen sich sehr schön in die traditionelle Animation.

Bei der Animation konnte Ito viele erfahrene Animatoren verpflichten – darunter viele, die sonst eher an den qualitativ hochstehenderen Kinofilmen arbeiten. Gerade die Bewegungen der Figuren sind mir da ins Auge gestochen. Die Animation ist nicht sehr aufwendig (flüssig) aber an den Bewegungen der Charaktere erkennt man schnell, dass erfahrene Animatoren am Werk waren. Wie die Charaktere rennen, anhalten oder Treppe laufen ist viel raffinierter animiert als man es sonst bei TV-Anime zu sehen bekommt. Insgesamt entsteht damit ein sehr soliden visuellen Eindruck. Zusammen mit der detailreichen und spannenden Welt wird Denno Coil zu einer richtigen Augenweide.


Tragbarer virtueller Bildschirm und Fumie von der Coil Detektei.

Denno Coil ist auf allen Ebenen exzellent produziert. Welt, Charaktere, Story, Animation, Humor – der Anime ist so dicht, dass man ihn problemlos mehrmals sehen kann, ohne dass es nichts mehr zu entdecken gäbe. Das bemerkenswerte dabei ist, dass der Anime dabei sehr gemütlich und zugänglich ist. Die Geschichte schreitet nicht zu schnell voran, der Anime lässt sich Zeit, den Zuschauer in die Welt einzuführen, und der Humor lockert alles immer wieder auf.

Was der Serie vielleicht fehlt, ist eine gewisse «edginess». Denno Coil richtet sich an ein sehr breites Publikum und achtet darauf, möglichst gefallend und zugänglich zu sein. Damit fehlt ihm dann etwas der Drive, um ein überragender Anime wie z.B. Mindgame zu werden. Wobei ich die dritte Episode unheimlich spannend gefunden habe. Sie operiert mit einfachsten Mitteln und ohne grosse Effekthascherei, kreiert aber eine orchestrierte Spannung, die mich komplett mitgerissen hat.

Ich bin äusserst gespannt, was Iso in den weiteren 23 Episoden noch für uns auf Lager hat. Ich freue mich zumindest riesig.

von Adrian am 07.06.2007 in Anime
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