• Der 3D-Animation fehlt die Animation
Die Diskussion über Computeranimation ist seit dem berüchtigten Blue Submarine No. 6 etwas abgeflaut oder wird zumindest nicht mehr so hitzig geführt, wie ich es noch vom Anfang des Jahrzehnts in Erinnerung habe. Dazu beigetragen hat sicher der breite Einsatz von 3D-Animation in vielen Anime-Produktionen aber auch die Aufwertung der Technik an sich – vorangetrieben vor allem durch die Erfolge von Pixar. Noch immer hat die Technik aber mit Imageproblemen zu kämpfen – sind diese überhaupt berechtigt?
Die Computeranimation hat einen langen Weg zurück gelegt. Beginnend mit den ersten Versuchen in den Achtzigern hat sich die Technik vor allen in teuren Hollywood-Produktionen durchgesetzt, wo der Einsatz von computergenerierten Hintergründen mit Bluescreen eine mächtigere Alternativen zu klassischen Spezialeffekten bietet.
Disney hat schon 1985 begonnen, Computer für ihren Animationsfilme zu verwenden. Dieser diente zuerst jedoch nur als Hilfe für die Animatoren und im fertigen Produkt ist die Computeranimation nur noch schwer zu erkennen. So wurde zum Beispiel schon 1986 für Basil, der grosse Mäusedetektiv Zahnräder am Computer animiert, ausgedruckt und übermalt.
Disney hat die Technik stetig weiter entwickelt aber nie sichtbar in ihren Filmen ausgestellt. Die grosse Wende kam erst 1995 mit Toy Story, der bei weitem nicht der erste Film mit Computeranimationen war, diese aber als erster Film als solche ausgestellt hat und als eine grosse Produktion für seine vollständig computerisierte Machart eingestanden ist.
Während die westlichen Animationsfilme versuchen, eine Seite einzunehmen, d.h. entweder als traditioneller oder als computergenerierter Animationsfilm aufzutreten, wird in Japan die Kombination der Techniken viel offensichtlicher angegangen. Blue Submarine No. 6 ist ein gutes Beispiel dafür, bei dem klar als Computeranimation sichtbare Elemente mit traditionell Animierten Charakteren kombiniert wurden.
Als Vergleich: Ein Jahr später wurde in Amerika Disney’s Tarzan veröffentlicht, der ebenfalls aufwendige, mit Computern generierte 3D-Hintergründe verwendet. Diese wurden aber so übermalt, dass sie praktisch wie traditionell animierte Hintergründe aussehen.
Dabei hat aber sicher auch die Budgets der beiden Produktionen mitgespielt. Blue Submarine No. 6 dürfte sich kaum das aufwendige Übermalen der Hintergründe geleistet haben können, wie es in Tarzan angewendet wurde.
Die Computeranimation hat sich im Mainstream etabliert aber es fehlt ihr immer noch an der Akzeptanz. Es ist bezeichnend, dass sich die Technik zuerst für leblosen Hintergründe durchgesetzt hat und die ersten vollständigen 3D-Animationsfilme Komödien sind.
Doch sind es nur Vorurteile, welche die Akzeptanz schmälern, oder ist es ein der Technik inhärentes Defizit?
Sicherlich eignet sich Computeranimation zuerst für leblose Objekte. Bis vor ein paar Jahren sah alles Computergenerierte auch sehr einförmig und leblos aus. Erst neue Programme ermöglichten die Simulation von komplexeren organischen Oberflächen wie Stoff, Fell oder Pflanzen.
Was meiner Meinung nach der Technik aber noch am meisten fehlt ist die Animation.
Dafür sehe ich zwei Gründe: Zum einen ist die Technik in diesem Bereich noch nicht genug ausgereift. Ein Computer-Interface zu entwickeln, das einem ein statisches Objekt drehen lässt, ist nicht allzu schwierig. Ein Interface für komplexe, nuancierte Animationen ist dagegen extrem schwierig zu erstellen. Zum zweiten fehlt es an erfahrenen Animatoren. Ein Teil des Know-How dürfte aus der klassischen Animation übernommen werden können, zum Beispiel wie man etwas genau beobachtet, um es dann gut animieren zu können. Die Werkzeuge, die für die Animation dann aber verwendet werden müssen (Bleistift / Grafiktablett vs. Animationsprogramm), sind aber grundsätzlich verschieden.
Um ein guter klassischer Animator zu werden, braucht es Talent und jahrelange Erfahrung. Gleiches trifft auch auf den Computer-Animator zu und die Technik ist schlicht noch zu jung, um genügend erfahrene Animatoren ausgebildet zu haben.
Ein gutes Beispiel ist da der Anime True Tears, der diesen Monat im japanischen Fernsehen angelaufen ist. Bemerkenswert ist dabei der Einsatz von Computergenerierten Charakteren, jedoch nur in Massenszenen, bei denen diese nur aus einer gewissen Distanz zu sehen sind. Diese Szenen sehen nicht nur schlecht aus, weil die Charaktere als Computeranimation zu erkennen sind, sondern vor allem auch, weil sie schlicht schlecht animiert sind.
Drei Beispiele für CG-Animationen, wie sie in True Tears im Hintergrund vorkommen.
Als Vergleich dazu zwei traditionell animierte Sequenzen.
Anzumerken ist dabei, dass für die Statisten im Hintergrund kaum der Aufwand betrieben wird wie für die Protagonisten im Vordergrund. In anderen Anime wären die Figuren im Hintergrund entweder Standbilder oder schlicht nicht vorhanden.
Im Vergleich fällt zuerst gleich auf, dass die CG-Animationen viel lebloser wirken. Das liegt zum einen an der Tatsache, dass der gezeichnete Strich unregelmässiger ist, als ein gerendertes 3D-Modell. Es liegt aber auch daran, dass in der traditionellen Animation die Kleider mit berücksichtigt werden, während bei den CG-Animationen die Kleider mit dem Körper ein einziges statisches Modell bilden und dieses als ganzes animiert wurde. Das ist schlicht eine Frage des Aufwands bzw. der eingesetzten Technik.
Störend sticht bei den Computeranimationen vor allem die Bewegung der Beine ins Auge. Es scheint mir, als ob der Oberkörper einfach in Laufrichtung auf gleicher Höhe verschoben wurde und die Beine dann der Bewegung nach animiert wurden. Dem fällt jegliche Dynamik der Bewegung zum Opfer. Während der Körper bei den traditionellen Animationen ein Gewicht zu haben scheint, das von den Beinen getragen und geschoben wird, wirken die CG-Figuren, als wären sie an Fäden aufgehängt. Das zeigt, dass den Figuren im Hintergrund nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde oder vielleicht sogar das Know-How gefehlt hat.
Vieles, was bei der traditionellen Animation der Technik schon gegeben war, muss bei der 3D-Animation noch berücksichtigt werden bzw. benötigt bei den aktuellen Tools noch zusätzliche Anstrengungen, um die Defizite zu kompensieren. Aktuell schreitet die 3D-Animation dabei stark Richtung Simulation gehen. Aufwendigere Modelle können Kleider und Anatomie simulieren und damit ein realistischere Animation liefern.
Gerade in der traditionellen Animation ist der Realismus aber nicht so gefragt bzw. ist die Möglichkeit der einfachen Abwendung vom Realistischen das Spannende daran. Eine Animation muss nicht realistisch, sondern spannend sein. Gerade dass die zwei nicht deckungsgleich sind, macht Animation so interessant.
Ich glaube, dass die Computeranimation diese Freiheit auch noch gewinnen wird. Zuerst wird das Rennen nach Realismus noch weiter gehen aber schon jetzt gibt es viele Künstler, die den Computerprogrammen ungewohnte und spannende Animationen abringen können. Ich bin daher sehr gespannt, was uns die Technik in Zukunft bringen wird.
Abschliessend noch ein Beispiel aus dem Anime Shokugan no Shanna II, das zeigt, dass auch traditionelle Animation schrecklich schlecht sein kann:
Referenzen:
The Art of 3D Computer Animation – Film Timeline
Tarzan Deep Canvas Making-of
Wikipeida: The Great Mouse Detective (Basil, der grosse Mäusedetektiv)
2 Kommentare
Nein, leider kein Kommentar zu deinem Beitrag obwohl er gut geschrieben ist. ;)
Mir ist nur aufgefallen, dass die letzten zwei Posts in deinem Blog gar nicht in meinem RSS Reader angezeigt wurden, auch als ich den Feed nochmals geaddet habe. Bin jetzt nur durch Zufall noch mal auf deine Seite gekommen, merkwürdig.
• Ataru
Ein wahrlich interessanter und gut geschriebener Artikel zum “Problemfall” 3D-Animation. Ich kann dir da nur zustimmen. Auch mir sind die 3D-Modelle in True Tears ziemlich schnell ins Auge gefallen. Was mich an ihnen stört, ist, dass sich die Figuren nicht nur “leblos” und ohne wirklichen Charakter bewegen, sondern auch so, also ob sie unter Wasser oder in Sirup sich bewegen würden.
Ein generelles Problem von 3D-Computeranimation scheint darin zu liegen, dass Kinozuschauer sie nur bei leblosen Gegenständen oder Fantasiefiguren akzeptiert, nicht jedoch beim Abbild von Menschen. Ohne jetzt die aktuellste Entwicklung gesehen zu haben (Stichwort “Beowulf”), erinnere ich da an den grossen Flop von Final Fantasy. Spielfilme mit Tier- und sonstigen Fantasyfiguren im Cartoon-look sind hingegen vom Publikum sehr gefragt, weshalb es auch immer mehr von denen gibt.
Bei den ersten Einsätzen von 3D-Computeranimation in den Disneyfilmen erinnere ich mich noch gut an meinem Kinobesuch von Oliver&Company (1988). Damals waren mir gewisse Autos als merkwürdig 3D aufgefallen, wie bei Bildern des Computers.