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Manga für Junge I: Tenshi Nanka Ja Nai

midori_cover.jpgMein Büchergestell zeugt immer noch von alten heiss umschwärmten Bänden, die über die Jahre ihre Leuchtkraft verloren haben. Das sind zum Beispiel Shounen-Romanzen wie I”s von Maskatsu Katsura oder Love Hina von Ken Akamatsu aber auch normale Shounen wie Shaman King von Hiroyuki Takei oder mehrere Record of Lodoss War Serien von verschiedenen Autoren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir die Serien grossen Eindruck gemacht haben und ich sie öfters wieder durchgelesen habe. In letzter Zeit ist diese Freude aber zusehends verblasst und ich kann mit einem Teil meiner Manga-Sammlung  immer weniger anfangen. Sicher habe ich einige sicher auch einfach zu oft gelesen aber grundsätzlich lasse ich heute viele Serien kalt links liegen, denen ich früher eine Chance gegeben hätte.

Natürlich ist das so lange auch nicht her und ich lasse es gerade so scheinen, als sei ich dem Jungengenre endlich entwachsen und bereit für die seriöse und gefährliche Welt der Erwachsenen-Manga (was schon auch stimmt). Aber immer wenn ich mir das richtig einreden will, überfällt mich wieder ein Jugend-Manga der mich, wie ich widerwillig doch eingestehen muss, irgendwie doch begeistert.

In den letzten Monaten waren es vor allem zwei Shoujos, die mich als verspätete Jugendsünden an den richtigen Stellen packen konnten:
Tenshi Nanka ja Nai (Ich bin kein Engel) von Ai Yazawa
Bokura ga Ita (Wir waren da) von Yuuki Obata

Nachfolgend wollte ich die beiden Manga kurz vorstellen aber weil dann der Text etwas zu lange geraten ist, stelle ich in einem ersten Teil zuerst Tenshi Nanka ja Nai vor. Bokura ga Ita folgt dann übernächste Woche, wenn ich wieder von Island zurück bin.

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Tenshi Nanka ja Nai (Ich bin kein Engel) von Ai Yazawa
Erstveröffentlichung 1991 bis 1994 (Ribon) in 8 Bänden
Übersetzung erhältlich auf Französisch als Je ne suis pas un ange (2007/2008) in 4 Bänden
und auf Italienisch als Non sono un angelo (2006/2007) in 8 Bänden

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Ai Yazawa dürfte vielen schon durch ihre auf Deutsch erhältlichen Serien wie Nana, Gokinjo Monogatari, Paradise Kiss oder Kagen no Tsuki bekannt sein. Das sind praktisch alle Serien, die Yazawa seit 1995 gezeichnet hat. Dabei hat sie schon 1986 angefangen Mangas zu veröffentlichen und hat bis 1995 acht Serien gezeichnet. Angeblich hat Yazawa aber Zweifel an der Qualität ihrer früheren Werke und hat diese deshalb nicht zur Lizenzierung freigegeben. Tenshi Nanka ja Nai scheints aber geschafft zu haben und wenn man einen Blick in den Manga wirft, fällt einem auch gleich der viel klassischere Shoujo-Zeichungsstil auf, den Yazawa in den späteren Serien praktisch ganz abgelegt hat. Ihr Stil ist aber trotzdem klar zu erkennen und gerade dieser Mix aus klassischerem und eigenem Stil gefällt mir sehr. Es wird auch wieder klar, wie viele Jahre Yazawa schon Erfahrung gesammelt hat und sie ist wirklich eine begnadete Zeichnerin, was einem in ihren neueren Serien wegen dem eigenwilligen Stil auf den ersten Blick gar nicht so auffällt.

Wichtiger aber noch als Yazawas zeichnerisches Talent ist ihre Fähigkeit, die Charaktere in Situationen zu inszenieren und zum Leben zu erwecken. Während Shounen und Shoujo Manga sonst oft sehr formularisch vorgehen und ähnliche oder zumindest gleich funktionierende Situationen in verschiedenen Werken wieder auftauchen, kann Yazawa ihre Figuren in spannende und passende Situationen setzen, so dass sie sich dann ihrem Charakter entsprechend verhalten können. Das ist gekoppelt mit Ensembles von ansprechenden und sympathischen Charakteren, die immer leicht überzeichnet aber nie klischeehaft sind. Wie Yazawa zum Beispiel in Nana einem die Tussi Hachiko so näher bringen kann, dass man sie einfach mögen muss, ist zeichnend für ihr erzählerisches Talent.

Tenshi Nanka ja Nai soll entstanden sein, als sich die Chefredakteurin des Magazins Ribon (in dem die meisten Yazawa Manga erschienen sind) beklagt hat, dass die Heldinnen in Yazwas Manga keinen Charme haben. Daraus ist die Idee einer Heldin mit positiver Grundeinstellung entstanden, die zuerst die Leser mit ihrem Charme erobert und dann später Unglück versinkt.
… oder zumindest so schildert es Yazawa selber im Zusatz des letzten Bandes.

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Midori Saejima ist eben diese Heldin, die gerade in die neu gegründete Hijiri Gakuen eingetreten ist und von ihren Klassenkameraden zur Nominierung für die Schülerorganisation genötigt wird. Midori wird zur Vizepräsidentin gewählt und trifft im Schülerausschuss unverhofft auf ihren heimlichen Schwarm Akira Sudo.

Das Grundthema ist klar die verschiedenen Romanzen, die zwischen den einzelnen Charakteren in verschiedensten Variationen entstehen und aufgelöst werden. Dabei werden die einzelnen Romanzen massgeblich von den Charakteren und ihren Persönlichkeiten vorangetrieben. Die Eltern sind als kontrollierende Instanz praktisch inexistent und kein Charakter kämpft gegen äussere Umstände wie Rang oder Einsprache der Eltern. Es geht vielmehr um die Persönlichkeiten und Gefühle der Charaktere, die versuchen sich Freunde zu finden und ihrer Liebe näher zu kommen.
Den grössten Teil nimmt dabei die Beziehung zwischen Midori und Akira ein. Grösste Hindernisse sind dabei Akiras kindheitsbedingte Unfähigkeit, seine Gefühle auszudrücken, und damit verbunden Midoris Zweifel an seinen Gefühlen.

Wahrscheinlich habe ich sonst noch kein andere Manga gelesen, in dem so oft geweint wird. Vor allem Midori bricht regelmässig in Tränen aus – jedoch mindestens so in Freudentränen wie Tränen aus Trauer. Das Weinen wird dann auch nicht dramatisch überhöht oder als Klischee eingesetzt. Vielmehr setzt es Yazawa äusserst gekonnt ein, um einem die Gefühlslage der Charaktere näher zu bringen. Das wirkt überraschend weder kitschig noch überzeichnet und ich denke das ist vor allem Yazawas Erzähl- und Zeichenstil zu verdanken.
Wie Mamirin in einer Szene Midori beim Lesen eines Kinderbuches zuschaut und über ihre Gesichtsausdrücke die Dramaturgie miterlebt, kann sich der Leser über die Mimik der Charaktere besser in diese versetzen.

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Die Hochs und Tiefs der Geschichte werden dabei immer wieder durch Yazawas Humor aufgelockert, der sich oft fast unscheinbar in kleinen Buchstaben gesetzt in die Panels einschleicht, entgegen seiner Grösse mich aber immer wieder zum Lachen gebracht hat. Tenshi Nanka Ja nai ist mindestens so witzig wie dramatisch.

Ich habe Tenshi Nanka ja Nai mit grossem Vergnügen gelesen und der Mix aus schönen, traurigen und witzigen Momenten funktioniert in meinen Augen vorzüglich. Der Manga hat sich damit ganz vorne in der Topliste meiner Yazawa-Manga eingereiht. Er ist voll von eindrücklichen Momenten und sympathischen Charakteren, ohne die die Geschichte wahrscheinlich schlicht zu kitschig wäre. Yazawa versteht es aber, alles so zu arrangieren, dass nur gerade der Schluss dann etwas auf die sentimentale Seite schlägt.

von Adrian am 31.01.2008 in Manga
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2 Kommentare

boijin

Das Problem mit den an “Leuchtkraft” verlierenden Manga ist eines, das ich auch teile. Mir fiel das erst kürzlich beim erneuten Lesen von Video Girl Ai (ebenfalls ein Katsura Titel) auf.

Die Serie gehört nach wie vor zu einer meiner liebsten, denn es hängen viele schöne Erinnerungen an das Lesen an ihr, aber gerade bei Katsura-Titeln sind das Geheimnis die ständigen unerwarteten Wendungen, welche den Leser mit dem jeweiligen Protagonisten mitfiebern lassen, das Geheimnis des Erfolges.

Ich bemerke auch immer wieder einen gewissen Neid gegenüber Manga unerfahrenen, da diese ja noch in den Genuss all dieser schönen Titel kommen werden.

Wie du den Manga beschreibst, hört er sich sehr interessant an, allerdings habe ich mit Shojo Mangas immer das Problem, dass die Zeichner es mit den Hintergründen nicht all zu genau. Das ist, da gerade in Shojo Mangas die Beziehungen zwischen den Charakteren im Vordergrund stehen, der Geschichte nicht abträglich, aber ich finde, dass gerade der Handlungsort und dessen Gestaltung ein Schlüsselpunkt für einen guten Manga sind. Auf den eingebundenen Bildern, sieht auch dieser Manga etwas “Hintergrundlos” aus.

• Adrian

Für mich waren Hintergründe noch nie wichtig und da finde ich es spannend, dass du das erwähnst. Es ist ja schon auffallend, dass Shounen-Manga meist mit sehr detaillierten Hintergründen aufwarten, während Shoujo-Manga diese eher aussparen.

Ich denke Yazawa zeichnet nicht mehr Hintergründe in ihren Manga als andere Shoujo-Autorinnen. In ihren neueren Werken greift sie dabei aber vermehrt auf stilisierte Fotografien als Hintergründe zurück (was afaik auch sonst oft gemacht wird – einfach nicht so offensichtlich).

Dabei ist aber eben gerade die Inszenierung, die mir an Yazawas Manga so gefällt, und da spielt bei den eindrücklichsten Szenen das Setting sicher eine wichtige Rolle. D.h. der Handlungsort ist immer gegeben und spielt auch eine Rolle, die visuelle Darstellung dieses ist aber viel reduzierter und funktionaler als in Shounen-Manga.

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