• Die 20 besten japanischen Filme aus zwei Jahren
Dank dem Zürcher Filmpodium konnte ich 2006 bis 2010 eine ganze Reihe von Programmen mit japanischen Filmen sehen, die mein interesse am japanischen Kino geweckt und immer wieder bestätigt haben. Ausgehend von den Prgrammen “Hiroshi Shimizu” und “Neues japanisches Kino” 2005 über “Mikio Naruse” 2006, “Heinosuke Gosho” 2008 bis zum krönenden Abschluss mit “Nagisa Oshima” und “Hirokazu Kore-eda” 2010. Seither habe ich keine Gelegenheit verpasst und konnte in den letzten beiden Jahren über 100 japanische Filme sehen.
Darunter waren praktisch keine Fehltritte, einige lauwarme aber unterhaltende Filme und eine ganze Menge grossartiger Entdeckungen. Über Nagisa Oshima und Nobuhiro Yamashita habe ich an dieser Stelle schon geschrieben, hier geht es aber um die 20 grössten Highlights, welche ich in den letzten beiden Jahren gesehen habe. Die Auswahl ist natürlich höchst selektiv und spannt sich über mehr als 50 Jahre. Bei Gelegenheit werde ich vielleicht über die einzelnen Filme noch ausführlicher Berichten.
Die Filme sind chronologisch geordnet. Alle Filme sind entweder irgendwo mit englischen Untertiteln auf DVD erschienen oder wurden von Fans im Internet übersetzt.
Untamed
Mikio Naruse – 1957
Afangs des letzten Jahrhunderts hatten es Frauen keinesfalls einfach in Japan und Mikio Naruse hat sich immer wieder ihrer Lage gewidmet. In einer Zeit als erwartet wurde, dass sich die Frauen still und geduldig ihren Männern ergeben, wehrt sich Oshima gegen die Ungerechtigkeit und die Unfähigkeit ihrer Männer. Ein ausgewogener und feinfühliger Film, der mehr die Umstände als die Leute als Auslöser des Leidens ortet und immer die Menschlichkeit seiner Charaktere betont.
The Catch
Naisa Oshima – 1961
Während des Zweiten Weltkrieges stürzt ein amerikanisches Flugzeug in den japanischen Bergen ab und ein nahes Bauerndorf nimmt den schwarzen Piloten als Geisel. Während zu Beginn die Neugierde überwiegt, dreht sich langsam die Stimmung gegen den wehrlosen Soldaten. Ein bedrückender Film über Rassismus und die Dynamiken in einer kleinen Gruppe, bei dem die Protagonisten aber nie verteufelt oder zu Monstern stilisiert werden.
The Ceremony
Nagisa Oshima – 1971
Die Geschichte einer feudalen Familie, deren Leben sich zum Grossteil in Zeremonien abspielt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihrer Werte beraubt, nehmen langsam persönliche Konflikte Oberhand und die Familie implodiert geradezu. Die theatralische Inszenierung und die Zeremonien bestärken die Beklemmung, welche der Film ausstrahlt, und kulminieren in einem bedrückenden aber eindrücklichem Ende.
Castle of Sand
Yoshitaro Nomura – 1974
Ein unbekannter alter Mann wird erdrosselt auf den Bahngeleisen in Tokyo gefunden. Erdrückt von der Hitze des Sommers suchen Imanishi und Yoshimura nach dem Mörder und kommen nur schleppend voran. Ein Detektivfilm der von seiner Stimmung getragen wird und jegliche Action von der Hitze erdrückt wird. Die Story entwickelt aber einen starken Sog, ist äusserst spannend und lässt sich ausgiebig Zeit für das Finale.
Fire Festival
Mitsuo Yanagimachi – 1985
Das abgelegene Dorf Nigishima ist aufgeteilt in Fischer und Holzfäller, die beide ihre eigene Version des Shinto-Glauben verfolgen. Ein geplanter Naturpark soll das Dorf modernisieren und Arbeitsplätze schaffen. Der Holzfäller Tatsuo wehrt sich als letzter gegen den geplanten Naturpark, bis er sich und seiner Familie am Ende in einem unerklärlichen Akt das Leben nimmt. Ein eindrückliches und beklemmendes Portrait, inspiriert von einem ähnlichen wirklichen Fall.
Without Memory
Hirokazu Kore-eda – 1996
Ein eindrücklicher Dokumentarfilm über ein Mann, der nach einer Magenoperation nicht korrekt mit Vitaminen versorgt wurde und deshalb sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat. Damit kann er keine neuen Erinnerungen mehr machen und ist er nur kurz abgelenkt, hat er alles wieder vergessen. Ansonsten ist er aber noch geistig voll fit und wird sich immer wieder von Neuem seiner Krankheit bewusst.
A & A2
Tatsuya Mori – 1998 & 2001
Zwei Dokumentarfilme über die Aum Shinrikyo Sekte, welche für die Giftgasanschläge auf die Metro in Tokyo 1995 verantwortlich ist. Der Film begleitet den Pressesprecher der Sekte und gibt einen Einblick in das deren Leben, zeigt aber auch die oft nicht weniger verrückten, welche die Sekte nach den Anschlägen konfrontieren.
Distance
Hirokazu Kore-eda – 2001
Eine Sekte vergiftet das Trinkwasser einer Stadt und tötet sich danach selber. Angehöriger der Sektenmitglieder kommen zum dritten Jahrestag zum Gedenken an den Ort des Anschlages und müssen ungewollt in der alten Hütte der Sekte übernachten. Ein eindrücklicher Film über Fanatismus, Verlust und der Vorwurf der Angehörigen an sich selber, nicht genug getan zu haben.
Harmful Insect
Akihiko Shiota – 2001
Sachiko ist nirgends willkommen, aus Gründen für die sie nichts kann. Ihre Mutter versucht sich das Leben zu nehmen und ihr ehemaliger Freund Sachiko zu vergewaltigen. Sie findet kurz trost bei einer Gruppe von Aussenseitern aber auch dieser Rückzugsort geht bald in Brüche. Sachiko erträgt alles lakonisch, bis es nicht mehr aushält und versucht aus ihrem Leben auszubrechen.
Japanese Devils
Minoru Matsui – 2001
Über Japanese Devils habe ich hier bereits schon geschrieben.
Erschütternder Dokumentarfilm über die Kriegsverbrechen der japanischen Armee während dem Zweiten Weltkrieg, hauptsächlich erzählt durch Berichte von Veteranen.
Ramblers
Nobuhiro Yamashita – 2003
Drei Filmemacher haben sich irgendwo weit auf dem Land für einen Dreh verabredet. Der Dritte taucht aber nicht auf und so müssen sich Tsuboi und Kinoshita, die nur wenige von einander halten, irgendwie die Zeit vertreiben. Von den Landsleuten werden sie aber verarscht, betrogen und gedemütigt. Dabei merken sie langsam, dass sie sich näher sind, als sie ursprünglich gedacht hatten. Dunkle Komödie die mit der Landidylle gründlich aufräumt.
Shara
Naomi Kawase – 2003
Ein traumähnlicher Film über zwei Zwilingsbrüder, von denen einer eines Tages plötzlich verschwindet. Der Film befasst sich weniger mit dem Grund oder Verbleib des Bruders als damit, wie die Familie mit dem unerklärlichen Verlust umgeht. Eindrückliche Soundkulisse und eine ruhige aber eindringliche Erzählweise, die mehr auf eine Stimmung als eine Story abzielt.
Matsugane Potshot Affair
Nobuhiro Yamashita – 2006
Über Matsugane Potshot Affair habe ich hier bereits geschrieben.
Eine Frau wird angefahren, tot aufgefunden und vom Fahrer fehlt jede Spur. Nur entpuppt sich die Frau als noch nicht ganz so Tod und Komplizin eines Goldraubes. Nur wohin mit dem geklauten Gold? Einfach so auf Die Bank bringen kann man das ja nicht. Bitterböse und schwarze Satire über das Landleben.
Rainbow Song
Naoto Kumazawa – 2006
Aoi lernt Tomoya zuerst als Stalker kennen, später sind beide im gleichen Uni-Club und arbeiten in der gleichen TV-Produktionsfirma. Beide sind heimlich in einander verliebt doch dann kommt Aoi bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Was dramatisch klingt wird extrem ruhig und anti-dramatisch erzählt (der Film wurde von Shunji Iwai produziert). Anstatt die Gefühle zu überzeichnen lässt sich der Film viel Zeit, die Beziehung der beiden in kleinen Gesten zu erzählen.
Even So, I Didn’t Do It
Masayuki Suo – 2007
Teppei wird beschuldigt eine Schülerin in der Metro sexuell belästigt zu haben. Er könnte ein Schuldbekenntnis ablegen und sich damit aus der Affäre ziehen doch er beharrt darauf, nicht schuldig zu sein. Damit gerät er in die Mühlen der japanischen Justiz, die sich nur in 0.01% der Fälle gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft entscheidet. Eindrückliche Kritik am System die nicht polemisiert und das Problem der sexuellen Übergriffe in der japanischen Metro ernst nimmt.
Love Exposure
Shion Sono – 2008
Eigenwilliger fast vierstündiger Film über Religion, Sexualität, Familie und Unschuld, der keine Minute langweilt und sich immer wieder selbst neu erfindet. Die Geschichte ist absurd, die Charaktere überstilisiert und die Handlung unvorhersehbar. Shion Sono trifft aber trotzdem eine Balance die alles glaubhaft macht und womit der Film umso unterhaltsamer wird.
Mental
Kazuhiro Soda – 2008
Ein Dokumentarfilm über ein Psychiater, seine Patienten und die japanische Gesellschaft, die psychische Erkrankungen zu verstecken versucht. So hört man von Leuten die davon abgehalten werden notwendige Therapien zu besuchen oder deren Verwandte den Kontakt zu ihnen abgebrochen haben. Aber auch von denen, die dreist genug sind aus ihrem Stigma einen Vorteil zu gewinnen.
The Dark Harbour
Takatsugu Naitô – 2009
Manzo ist alleinstehender Fischer in einem abgelegen Fischerdorf dem alle jungen Frauen in die Städte weggezogen sind. Beim Filmen eines Videos für eine Ehevermittlungs-Party tauchen plötzlich eine Frau und ein Kind in Manzos Schrank auf. Er stellt die Beiden und bietet ihnen an, offiziell bei ihm zu Wohnen. Manzo freut sich über die Gesellschaft doch für die junge Frau ist das keine wünschenswerte Zukunftsperspektive.
About Her Brother
Yôji Yamada – 2010
Tetsuro ist leicht behindert und wird von seiner Familie wegen seiner Verhaltensauffälligkeit ignoriert. Nur seine Schwester Ginko kümmert sich um ihn, stösst wegen seiner Spiel- und Alkoholsucht aber auch immer wieder an Grenzen. Der Film protraitiert das fehlende Verständnis für psychische Leiden in Japan aber auch die schwierige Integration derer, die zu fit für ein Heim aber zu schwach für ein normales Leben sind.
• Unbekannte nummer
Vielen Dank! Ich liebe japanisches Kino, das habe ich gesucht! Ich fange an zu schauen! Mach weiter!