• Annecy 2008, Teil II
Der zweite Tag in Annecy 2008. Diesmal keinen Reinfall und drei sehr abwechslungsreiche Filme
Die drei Filme sind:
- Peur(s) du Noir
- Idiots & Angels
- Mia et le Migou
Ein Schwarz/Weiss Projekt aus mehreren Kurzfilmen, der neuste Film von Bill Plympton und Miyazaki-inspirierter französischer Animationsfilm.
Peur(s) du Noir
Regie: Blutch, Marie Caillou, Pierre Di Sciullo, Jerry Kramski, Lorenzo Mattotti, Richard McGuire, Michel Pirus, Romain Slocombe
Produktion: Frankreich
http://www.fearsofthedark-themovie.com/ – IMDB – Trailer
Peur(s) du Noir ist ein französisches Kollaborations-Projekt, in dem sich verschiedene in einander verwobene Kurzfilme mit der Angst vor der Dunkelheit und dem Unbekannten beschäftigen. Die Filme sind komplett in Schwarz/Weiss gehalten, unterscheiden sich aber stilistisch stark von einander.
Der Film besteht aus vier längeren Geschichten und zwei Elemente, mit denen die Filme verwoben werden. Da ist zum eine zwielichtige Gestalt, die mit einer Schar von scharfen Hunden an der Leine durchs Land zieht und immer wieder einen Hund auf einen Mensch los lässt. Zum anderen gibt es immer wieder abstrakte Zwischensequenzen, die spannend sind aber leider etwas nach billiger Flash-Animation aussehen, die mit einer Frauenstimme unterlegt sind, welche von ihren Ängsten erzählt.
Die erste Geschichte ist eine Anspielung auf Horror-Filme der 50er und 60er und versucht auch visuell auf den Comicstil dieser Jahre anzuspielen. Das Segment ist komplett 3D-animiert, durch einen starken S/W-Kontrast wirken die Bilder aber flächig und comichaft. Die Geschichte funktioniert vor allem im Bezug auf alte Horrofilme, ist allein betrachtet aber nicht besonders interessant.
Die zweite Geschichte inspiriert sich bei der japanischen Kultur und vermischt verschiedenste Einflüsse (Ijime, Samurai, japanische Geister etc) zu einem eher missglückten Mix, der wahrscheinlich nur funktioniert, wenn man nicht schon zu viele Anime gesehen hat.
Die dritte Geschichte erzählt von einem Angriff eines Monsters auf ein abgelegenes Dorf in Europa. Die Stimmung erschliesst sich vor allem durch die Zeichnungen und die Tatsache, dass vieles unklar gelassen wird.
Die vierte und letzte Geschichte ist dabei mit Abstand die stärkste. Ein Wanderer sucht in einem Wintersturm in einem alten Haus Zuflucht, das (vielleicht) vom Geist einer alten Witwe heimgesucht wird. Die Stärke liegt darin, dass mehr ausgelassen als gezeigt wird. Im Haus gibt es kein Licht und so ist meist im Bild nur ein kleiner Lichtfleck zu sehen. Der effektive Einsatz solcher Mittel und die visuelle Reduziertheit macht die letzte Geschichte einiges eindrücklicher als die Vorherigen.
Das Projekt ist mutig und gerade in der Vielfalt der Geschichten und Stile sehr spannend anzuschauen. Die Kombination und Verbindung der Geschichten funktioniert ebenfalls sehr gut. Es entsteht weniger der Eindruck von drei einzelnen getrennten Teilen als von drei integralen Bestandteilen.
Die Geschichten variieren auch stark in der Qualität. Wirklich gefallen hat mir nur die letzte aber der Besuch hat sich sicher gelohnt.
Iodiots & Angels
Regie: Bill Plympton
Produktion: USA
http://www.idiotsandangels.com/ – IMDB – Trailer
Plymton ist wahrscheinlich der bekannteste unabhängige Animator von den USA. Er hat schon etliche Kurzfilme und mit Idiots & Angels sechs Langspielfilme produziert. Er zeichnet dabei jedes Frame seiner Filme selber und ist damit angeblich der erste Animator, der das bei einem Langspielfilm geschafft hat.
Erfolg hat er vor allem mit seinen Kurzfilmen, von denen 1987 Your Face und 2005 Guard Dog für den Oskar nominiert wurden. Seine Filme überzeugen vor allem durch ausgefallene Ideen und visuelle Experimente. Der Wechsel von Kurzfilmen zu Langspielfilmen ist ein grosser Sprung und so haben Plymtons erste Langspielern auch eine gute Geschichte und einen Roten Faden gefehlt. Mit jedem Langspielfilm hat er aber dazu gelernt. Idiots & Angels fehlt es zwar immer noch etwas an Dramaturgie aber der Film ist schon viel weniger eine reine Aneinanderreihung von Ideen.
Ein depressiver und aggressiver Mann verbringt seine Tage in einer Bar am Trinken und versucht mit der Freundin des Barmanns etwas anzufangen. Doch dann wachsen im Engels-Flügel und er bekommt ungeahnte Kräfte. Die Flügel versuchen zwar ihn davor abzuhalten böses zu tun, doch er ist fest entschlossen, sie für sein Bestes auszunutzen.
Was klar für den Film spricht ist die Tatsache, dass ich ihn gemocht und darauf auch über den Film nachgedacht habe, mir aber erst Tage später beim Lesen des Wikipedia-Eintrags aufgefallen ist, dass der Film gar keinen Dialog hat. Weder während noch nach dem Film ist mir aufgefallen, dass niemand je ein Wort spricht und das ist ein guter Beleg für die visuelle Fertigkeit von Bill Plymton.
Bei den guten Einfällen und deren kreativen visuellen Umsetzung liegt dann auch die stärke dieses Filmes. Die Ideen sind schräg und die Story etwas wirr aber es ist eine Freude, sich auf diese Welt einzulassen.
Mia et le Migou
Regie: Jacques-Remy Girerd
Produktion: Frankreich
Folimage – IMDB – TV-Sendung
Mia et Le Migou hat im Voraus vor allem durch seinen ansprechende visuelle Gestaltung viel Interesse geweckt. Die Inspiration bei Studio Ghibli und vor allem Miyazaki ist augenscheinlich, doch ist der Stil eigenständig genug um für sich zu stehen.
Mias Vater arbeitet auf einer Baustelle für ein Hotel, das an einem der letzten vom Menschen Unberührten Orten aufgestellt werden soll. Die Baustelle wird dabei immer wieder von Unbekannten sabotiert und eines Tages spürt Mia, dass ihrem Vater etwas zugestossen ist und sie macht sich auf die Reise zur Baustelle, um ihn zu finden.
Der Film überzeugt vor allem visuell durch einen schönen Stil und gute Einfälle. Die Story und die Charaktere sind dabei aber leider etwas platt ausgefallen. Die ökologische Botschaft wird immer wieder lobend betont, doch diese ist zu einseitig und abgelutscht um zu gefallen.
Gerade zwei Punkte sind mir dabei im Bezug zu Ghibli aufgefallen:
- Die Öko-Botschaft wird verabsolutisiert. Während in Mononoke oder Totoro die Botschaft lokal begrenzt und nicht die ganze Welt bedroht, hängt in Mia et le Migou das Schicksal der Welt an einem einzigen Baum. In Mononoke ist der Tod des Waldgottes zwar ein Verlust aber auch Zeichen des Wandels zu einer Welt, in der die Menschen die Götter nicht mehr benötigen. In Mia et le Migou bedeutet der Tod des einen Baumes das Chaos für die ganze Welt.
- Die Botschaft, dass man an sich glauben muss, um etwas zu erreichen, findet man in vielen Anime. Gerade in den Filmen von Miyazaki liegt die Betonung aber viel mehr auf dem Mut als auf dem Glauben. In Mia et le Migou wird dieser Glaube absolut überzeichnet, zum Punkt dass man mit blindem Glauben alles erreichen kann. An zwei Stellen stürzt sich Mia überrücks in einen Abgrund. Ihr starker Glaube an sich selber wird ihr dann schon irgendwie helfen. Mit dieser esoterischen Unterhöhlung ist dann auch die eigentliche Aussage ganz zerstört.
Mia et le Migou ist ein schöner Film und ich habe es keineswegs bereut, ihn gesehen zu haben. Leider hat die Geschichte einige schwere Schwachstellen, welche das Vergnügen etwas trüben.
Kommentieren